Der vorliegende Leitfaden richtet sich sowohl an die öffentlichen Verwaltungen und Behörden als auch an die Medienschaffenden in der Schweiz. Er trägt dazu bei, die Öffentlichkeitsgesetze von Bund und Kantonen zu einem praxistauglichen Instrument für Journalistinnen und Journalisten zu machen.

 

EINFÜHRUNG

 

Verwaltung und Medien verfolgen unterschiedliche Interessen. Die Verwaltung hat eine Informationspflicht gegenüber Bürgerinnen und Bürgern sowie den Medien. Gleichzeitig muss sie den Persönlichkeits- und Datenschutz sicherstellen. Medien nehmen als Vierte Gewalt eine Kontrollfunktion wahr und haben ein Interesse an bestätigten Informationen, um eine seriöse Berichterstattung zu gewährleisten.

Ziel des Leitfadens ist es, eine gute Umsetzung der Öffentlichkeitsgesetze zu etablieren, das Vertrauen zwischen Verwaltung und Medien zu stärken und damit einen Beitrag zur Sicherstellung eines Journalismus von hoher Qualität zu leisten.

Voraussetzung dafür sind gut eingespielte Prozesse in Verwaltungen und Redaktionen, die eine professionelle Handhabe des Öffentlichkeitsprinzips erlauben und den administrativen und juristischen Aufwand auf beiden Seiten in einem verhältnismässigen Rahmen halten. Wichtig ist, dass die Verwaltung bei der Beantwortung von Zugangsgesuchen über eine gut funktionierende Geschäftsverwaltung verfügt und ihre IT-Systeme so ausgestaltet sind, dass Auswertungen und Auszüge mit wenig Aufwand generiert werden können.

Auf Bundesebene sind Dokumente der Bundesverwaltung seit 2006 grundsätzlich öffentlich zugänglich. Dies ist im Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (Öffentlichkeitsgesetz, BGÖ) festgehalten. Auch die meisten Kantone haben das Öffentlichkeitsprinzip eingeführt. Die kantonalen Regelungen unterscheiden sich teilweise stark.

Zweck der Öffentlichkeitsgesetze ist es, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die staatlichen Institutionen zu fördern und eine demokratische Mitwirkung am politischen Entscheidungsprozess zu ermöglichen.

Die Öffentlichkeitsgesetze haben sich zu einem wichtigen Recherchemittel für Medienschaffende entwickelt. In den vergangenen Jahren hat die Zahl der journalistischen Beiträge, die mit einem Öffentlichkeitsgesetz des Bundes oder eines Kantons realisiert wurden, deutlich zugenommen. Dabei konnte immer wieder auch auf Missstände aufmerksam gemacht werden.

 

 

LEITFADEN VERWALTUNG

Die öffentliche Verwaltung hat eine Informationspflicht gegenüber der Bevölkerung und den Medien. Gestützt auf unsere demokratische Verfassung und auf das Öffentlichkeitsprinzip ist sie verpflichtet, wahrheitsgetreu, sachlich und aktuell über Beschlüsse und Belange von öffentlichem Interesse zu orientieren. Dabei ist sie sich der wichtigen staatspolitischen Funktion bewusst, welche die Medien als Vierte Gewalt wahrnehmen.

1. Umgang mit Informationen

 

1.1 Verwaltungen informieren über die für Öffentlichkeits- und Informationsgesetze zuständigen Ansprechpersonen und machen vorhandene Kommunikationskonzepte öffentlich.

1.2 Gestützt auf ihre Informationspflicht und auf das Öffentlichkeitsprinzip beantwortet die Verwaltung Medienanfragen rasch und dienstleistungsorientiert. Sie geht dabei von der Prämisse aus, dass grundsätzlich alle öffentlich relevanten Akten und Vorgänge in der Verwaltung zugänglich sind. Will die Verwaltung eine Information vertraulich behandeln, muss sie dies begründen.

1.3 Ist es der Verwaltung aus schützenswerten privaten oder öffentlichen Interessen nicht möglich, bestimmte Informationen, Dokumente oder Daten herauszugeben, orientiert sie die anfragenden Medienschaffenden darüber. Halten diese an der Herausgabe fest, weist die Verwaltung auf die Möglichkeit eines Zugangsgesuchs gemäss Öffentlichkeitsgesetz hin.

1.4 Die Verwaltung informiert Medienschaffende soweit rechtlich zulässig möglichst rasch über die vorhandenen Dokumente zu einem Thema, damit Zugangsgesuche präzis gestellt werden können.

1.5 Verwaltungen publizieren öffentlich relevante Informationen, Dokumente und Datensätze proaktiv.

2. Umgang mit Zugangsgesuchen

 

2.1 Die für die Umsetzung des Öffentlichkeitsgesetzes Verantwortlichen verfügen über die erforderlichen Fachkenntnisse oder können auf entsprechende Wissensträgerinnen und
-träger zugreifen.

2.2 Der Eingang eines Zugangsgesuchs wird schriftlich bestätigt. Gesuche werden möglichst zeitnah behandelt. Die Gesuchstellenden werden über allfällige Verzögerungen oder Verlängerungen von Fristen informiert.

2.3 Die Verwaltung nimmt bei offenen Fragen und weitgefassten Zugangsgesuchen Kontakt mit Gesuchstellenden auf, etwa zur Klärung gewünschter Informationen.

2.4 Die Verwaltung hält Dokumente und Daten nur dann zurück, wenn sie nachweisen kann, dass dies rechtmässig ist. Sie begründet ihre Entscheide nachvollziehbar und gestützt auf die rechtlichen Grundlagen und die Rechtspraxis. Im Entscheid weist sie auf den Rechtsmittelweg hin. Schwärzungen in Dokumenten und Löschungen in Datensätzen werden nachvollziehbar begründet.

2.5 Werden Gebühren erhoben, wird der oder die Gesuchstellende vorgängig darüber informiert, der Aufwand belegt und gemäss der bundesgerichtlichen Rechtspraxis und den kantonalen Vorgaben in Rechnung gestellt.

2.6 Es ist hilfreich, wenn die Verwaltung auf Wunsch den Kontext der herausgegebenen Dokumente erläutert, soweit der Aufwand dafür verhältnismässig ist.

 

 

LEITFADEN MEDIENSCHAFFENDE

Die Medien spielen als Vierte Gewalt bei der Meinungsbildung der Bevölkerung eine wichtige Rolle. Damit sie diese Aufgabe wahrnehmen können, verfügen sie über einen privilegierten Zugang zu Behörden und Verwaltung. Sie tragen somit eine besondere Verantwortung dafür, mit Fakten und Informationen gewissenhaft und sorgfältig umzugehen.

1. Vorbereitung

1.1 Medienschaffende informieren sich über Möglichkeiten und Grenzen der Öffentlichkeitsgesetze.

1.2 Medienschaffende bereiten sich auf Anfragen bei Verwaltungen gewissenhaft vor. Sie kennen die öffentlich zugänglichen Informationen zum Thema, das sie recherchieren.

1.3 Bevor Medienschaffende ein Zugangsgesuch stellen, verlangen sie die benötigten Daten oder Dokumente bei der zuständigen Medienstelle.

1.4 Erachten Medienschaffende ein Zugangsgesuch für nötig, holen sie bei der Verwaltung im Vorfeld Informationen zu den vorhandenen Dokumenten und Datensammlungen ein und stellen ein inhaltlich möglichst präzises Gesuch.

2. Umgang mit Zugangsgesuchen

2.1 Nach der Gesucheinreichung bleiben Medienschaffende mit den Verwaltungsstellen in Kontakt. Auch nachträglich kann ein Zugangsgesuch allenfalls so eingegrenzt werden, dass sich der Aufwand für die Verwaltung verringert und eine Behandlung rascher möglich ist.

2.2 Bei einer ablehnenden Haltung der Verwaltung bemühen sich Medienschaffende, auf dem Verhandlungsweg eine Einigung mit den Behörden zu erzielen – allenfalls auch mithilfe einer Schlichtungsbehörde. Bleibt die Weigerung der Verwaltung nicht nachvollziehbar, ist die Einsichtnahme in Dokumente gegebenenfalls vor Gericht zu erkämpfen.

3. Umgang mit Informationen

3.1 Medienschaffende ordnen die von Behörden und Verwaltung erhaltenen Informationen wahrheitsgetreu ein, hören Betroffene an, insbesondere solche, gegen die Vorwürfe erhoben werden. Auch im Umgang mit Behördendokumenten halten sich Medienschaffende an den vom Schweizer Presserat formulierten Journalistenkodex.

3.2 Verweigert eine Verwaltung die Einsichtnahme in Dokumente und Daten ohne nachvollziehbare Gründe, kann diese Verwaltungspraxis öffentlich thematisiert werden.

Version April 2023

Die Arbeitsgruppe

Eine Arbeitsgruppe mit Vertretungen aus Verwaltung, Medien und Lehre hat die vorliegenden Gute-Praxis-Leitlinien ausgearbeitet. 

Am Leitfaden mitgearbeitet haben: Dennis Bühler (Republik/Schweiz. Presserat), Walter Langenegger (ehem. Leiter Informationsdienst Stadt Bern), Adis Merdzanovic (ZHAW School of Management and Law),  Alessia  C. Neuroni (Digitale Verwaltung & E-Government Kanton Zürich), Judith Petermann Büttler (Beauftragte für Information und Datenschutz Kanton Solothurn), Christian Pleisch (Gemeinde Bassersdorf, Verwaltungsdirektor), Eva Hirschi (Projektmitarbeiterin Öffentlichkeitsgesetz.ch), Martin Stoll (Geschäftsführer Öffentlichkeitsgesetz.ch).

 

 

Der Leitfaden kann als PDF hier heruntergeladen oder als Faltblatt gratis bestellt werden: info@oeffentlichkeitsgesetz.ch